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Als der Sommer eine Farbe verlor

Roman

Erschienen am 10.03.2014
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783827011886
Sprache: Deutsch
Umfang: 496 S.
Format (T/L/B): 4.5 x 22 x 14.7 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

"Wir hielten uns im Geheimnis der Unendlichkeit auf. Wir standen mittendrin." --- Ein sorgloser Tag im Sommer '76 endet für Bénédicte und ihre Familie in einer Katastrophe. Kurz darauf zieht sie mit ihrem Vater Emil und dem jüngeren Bruder in die westfälische Provinz, wo Emil die Leitung einer Klinik übernimmt. Fragen nach ihrer Mutter Aimée, einer bekannten Malerin, begegnet er ausweichend. Sie erhole sich in einem Sanatorium, schreibt sie ihren Kindern - für ungewisse Zeit. 'Als der Sommer eine Farbe verlor' erzählt von zwei jungen Menschen, die lernen, ihr eigenes Glück zu finden. Eine wunderbar leuchtende Familiengeschichte über Liebe und Verantwortung, Verlust und Annäherung und darüber, was es heißt, erwachsen zu werden, ohne den Zauber der Kindheit zu verlieren.

Autorenportrait

Maria Regina Heinitz, geboren 1968 in Isny (Allgäu), studierte Deutsche Sprache, Literatur und Französisch, arbeitete als Artbuyerin und Fotoproduzentin und erhielt 2009 den Literaturförderpreis der Kulturbehörde der Hansestadt Hamburg. Sie lebt in Hamburg.

Leseprobe

PROLOG Sommer 1976 Es war einer dieser besonderen Sommertage. Einer, an dem man fast durchdreht vor Glück. Wir meinten, es gehörte uns. Wir hielten es fest, wie einen Schmetterling in der hohlen Hand. Ich höre immer noch Marcels Lachen zwischen den Beerensträuchern, Schwärme von Mücken tanzen vor dem wolkenlosen Himmel, das fröhliche Geschwatze der Vögel dringt von den Bäumen he­run­ter, und ich rieche den Duft von blühendem Jasmin. Wir waren glücklich. Wenn jemand gekommen wäre und gesagt hätte: 'Heute Abend ist alles vorbei', ich hätte gelacht, wie man eben lacht, wenn man an das Glück glaubt. Aber es kam so. Wenn ich heute da­rüber nachdenke, hatte Farfadetnoir schon Tage vorher seinen Schatten über unseren Sommer geworfen. Es war nur, weil Mamique gekommen war, dass wir seine Ankunft vergessen hatten. Die Sorglosigkeit hatte uns übermannt. Noch einmal, kurz. Ich hatte mich hoch oben in einer Tanne am Wäldchen versteckt. Durch die Zweige konnte ich über die Wiese bis zum Haus hi­naufsehen. Mamique suchte gerade nach Marcel. Er saß unter dem Magnolienbusch, den Aimée zu seiner Geburt mitten auf den Rasen unterhalb der Terrasse hatte pflanzen lassen. Hasenklein zu­sam­men­ge­kauert saß er dort. Aimée liebte Magnolien. Sie sagte, die Blüten im Frühjahr seien die Geburtsstätte von Elfen. Aus ihrem Tau tauchten sie auf, in einer Vollmondnacht, ganz winzig klein. Mit bloßem Auge hielt man sie für Blütenstaub. Sie erzählte ständig solche Geschichten. Der Busch hatte in einer der letzten Nächte auf einen Schlag den Großteil seiner Blätter verloren, und Aimée hatte gesagt, vielleicht sei das ein Zeichen, ohne uns zu erklären, wofür. Es hatte nur etwas Düsteres im Raum gehangen, nachdem sie es gesagt hatte, und ein bisschen war es so gewesen, dass dieses Düstere sie danach verfolgte. Als hätte sie es nicht sagen sollen, das mit dem Zeichen. Marcel war ziemlich schlecht versteckt unter den dürren Magnolienästen. Er saß in der Hocke an den niederen Stamm gelehnt, beide Hände auf die Augen gepresst, und hielt sich für unsichtbar. Mamique rief nach uns. Ihre tiefe raue Stimme klang über der Wiese und machte mich glücklich. 'Marcellino, wo bist du? Hast du deine alte Großmutter verlassen?' Sie schlich um die Magnolie und tat, als würde sie herzzerreißend weinen. Mein Bruder biss sich auf die Unterlippe. Die Vorstellung gefiel ihm. Dann, ganz langsam, löste er sich aus seiner Häschenhaltung und sprang ihr mit lautem Geschrei in die Arme. 'Hier bin ich, hier', schrie er und drängte sich mit aller Kraft an sie. Zur gleichen Zeit schloss Aimée oben im zweiten Stock den letzten noch offen stehenden Fensterladen. Die Sonne schien ihr ins blasse Gesicht. Sie winkte kurz mit einer müden Handbewegung zu mir he­run­ter. An einem anderen Tag hätte mich ihre Geste geschmerzt, an einem anderen Tag hätte ich versucht, ihr ein Lächeln abzuringen. Aber heute war ein besonderer Tag, heute war Mamqiue da und suchte nach uns, und so schnell, wie meine Mutter am Fenster ihres Ateliers aufgetaucht war, hatte ich sie auch schon wieder vergessen. Ich sah Mamique und Marcel miteinander flüstern. Er war von ihrem Arm gesprungen und zog sie in meine Richtung. Er hatte gesehen, wie ich auf den Baum geklettert war. Kleiner Mistkerl! Wenn er jetzt mein Versteck verriet . Zielstrebig steuerte er auf mich zu. Etwa drei Meter vom Stamm meiner Tanne entfernt fasste er unter einen Busch und zog den roten Ball mit den schwarzen Punkten hervor. Ein halb luftleeres, nicht mehr ganz rundes Gebilde, das er sonst unermüdlich durch die Gegend kickte. Ich atmete auf. 'Regardes', sagte er und hielt unserer Großmutter das schlappe Ding hin, 'mon ballon!' 'Wir müssen Bénédicte finden', sagte Mamique und hob meinen widerstrebenden Bruder mitsamt dem Ball auf den Arm. Sie ging unter meiner Tanne vorbei, in das Wäldchen hin­ein, den kurzen Abhang hi­nun­ter, dorthin, wo ein Zaun unser Grundstück vom angrenzenden Wald trennte. 'Bicky!', hörte ich Marcel albern kiche

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