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Die Grammatik ist ein sanftes Lied

Erschienen am 09.08.2004
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446204386
Sprache: Deutsch
Umfang: 136 S., Illustriert
Format (T/L/B): 1.5 x 22 x 14.6 cm
Einband: Halbleinen

Beschreibung

Inhaltsbeschreibung folgt

Autorenportrait

Wolf Erlbruch, geboren 1948, studierte Grafik-Design mit dem Schwerpunkt Zeichnung und Druckgrafik an der Folkwang Schule in Essen. 1990 erhielt er einen Ruf als Professor für Illustration an der Fachhochschule Düsseldorf. Von 1997 bis 2009 war er Professor für Illustration an der Bergischen Universität Wuppertal. Ab 2009 bis zu seiner Emeritierung 2011 war er Professor für Illustration an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Als Kinderbuchautor und -illustrator wurde er vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Sonderpreis des Deutschen Jugendliteraturpreises 2003, dem Hans-Christian-Andersen-Preis 2006 und dem Astrid Lindgren Memorial Award 2017. Bei Hanser gestaltete er rund ein Dutzend Kinderbücher, zuletzt Die Katzen von Kopenhagen von James Joyce. Wolf Erlbruch lebt in Wuppertal.

Leseprobe

Hinter uns sang jemand. Über unserer Arbeit hatten wir ihn nicht kommen hören. Ach, schöne Blume mein, Ach, Inselvögelein Eine Stimme wie die einer Mutter, die ihr Kind in den Schlaf singt, sanft und ein wenig traurig, wie ein leichter Regen an einem Sommerabend. Eine Stimme, flüchtig wie Träume. Ich drehte mich ganz langsam um, um sie nicht zu erschrecken. Eine solche Stimme würde wahrscheinlich ebenso schnell davonfliegen wie ein Vogel. Eine Erscheinung aus einer anderen Welt lächelte uns an: ein kleiner, dunkelhäutiger Herr, aufrecht wie ein i, in weißem Leinenanzug, mit einem flachen Strohhut auf dem Kopf. Von welchem Planeten war er zu uns gekommen? War er einem alten französischen Musikfilm oder einem vergessenen Karneval entsprungen? Ich habe nicht so viel Erfahrung im Schätzen des Alters von Schwarzen. Aber an den Falten, die ihre Krallen um seine Augenwinkel legten, und an den helleren Flecken auf seiner Haut erriet ich, dass er nicht mehr der Jüngste war. Er trat näher. Fasziniert betrachtete ich seine Schuhe, zweifarbige Mokassins, rot und beige. Nicht die geringste Andeutung von Socken. Er schien eher über den Sand zu tanzen als, wie wir, auf ihm zu gehen. Ich hob den Kopf gerade noch rechtzeitig, um die Hand, die er mir hinstreckte, zu drücken. "Willkommen, kleines Fräulein. Alle nennen mich Monsieur Kasimir. Habt keine Angst, wir sind Schiffbrüche und Schiffbrüchige gewohnt. Das hier ist mein Neffe. Wir werden uns eurer annehmen..." Ein im Unterschied zu ihm in schreiende Farben gekleideter, riesiger Jüngling mit geblümtem Hemd, gelben Schlaghosen und einer Gitarre über der Schulter begleitete ihn. Er schwieg, zweifellos war er zu sehr damit beschäftigt, seine großen, grünen Augen bewundern zu lassen. Keine Frage, ein erhabener Neffe. "...Ihr könnt nicht mehr sprechen, oder? Macht euch keine Sorgen, das ist normal nach den wahnsinnigen Stößen, die euch der Sturm versetzt hat. Wir haben euch vom Ufer aus beobachtet. Was habt ihr dem Meer nur angetan, dass es sich so heftig gebärdet hat? Und der Wind, mein Gott, solche Böen! Es ist ein Wunder, dass ihr überhaupt noch einen Kopf auf den Schultern habt." Wir hatten uns taumelnd erhoben. "Willkommen bei uns. Ein bisschen Schlaf und morgen wird es euch schon besser gehen. Kommt, wir werden euch eure Unterkunft zeigen." Mehr schlecht als recht folgten wir ihnen. Wir kamen zu einem Dorf mit Strohhütten. Monsieur Kasimir öffnete die Tür der ersten und dort erwarteten uns zwei niedrige Betten. "Wenn euch der Hunger nicht schlafen lässt, findet ihr in diesem Korb frisches Wasser und getrockneten Fisch. So. Habt keine Angst, wir werden euch die Wörter wiedergeben, die euch der Sturm geraubt hat. Und noch ein paar mehr, an denen ihr sicher Spaß haben werdet. Unsere Insel hat Kräfte, wie soll ich sagen, Kräfte eher magischer Natur. Ihr werdet eure Eltern in Erstaunen versetzen. Übrigens, das nächste Schiff kommt in einem Monat. Wir haben alle Zeit der Welt..." Der erhabene Neffe spielte den Unbeteiligten, indem er vor sich hinpfiff, unruhig mit dem Fuß auf dem Boden scharrte und in eine andere Richtung schaute. Aber ich sah sie genau, seine grünen Augen, sie funkelten im Halbschatten und hörten nicht auf, mich zu streifen. Unsere neuen Freunde schlossen die Tür. Sonnenstrahlen, die sich durch die Jalousien hereinstahlen, streichelten den Fußboden. Die schüchterne Melodie einer Gitarre wiegte uns in den Schlaf. Wer spielte sie für uns? Wer verstand, dass wir nach dem chaotischen Getöse des Sturms Musik brauchten? Monsieur Kasimir, der alte Elegant, oder sein Neffe, der Erhabene mit den grünen Augen? Leseprobe

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